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Landtags-ABC
In der Verfassung des Landes Hessen sind die Grundrechte und die demokratische Staatsform des Bundeslandes Hessen verankert. Die Verfassung wurde am 29. Oktober 1946 von der Verfassungsberatenden Landesversammlung in Wiesbaden beschlossen und durch Volksentscheid am 1. Dezember 1946 von den Bürgerinnen und Bürgern des Landes angenommen. In zwei Hauptteilen mit insgesamt 161 Artikeln werden die Grundrechte des Menschen und der Aufbau des Landes grundsätzlich geregelt. Die Verfassung ist der rechtliche Rahmen für alle Menschen und Organisationen in Hessen. Die in ihr festgelegten Rechte und Pflichten gelten für jedes Mitglied der Gesellschaft gleichermaßen. Alle Handlungen im öffentlichen oder privaten Bereich müssen den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen oder sie sind juristisch angreifbar. Seit über siebzig Jahren bürgt die Hessische Verfassung, die schon vor dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bestand, dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger des Landes in Freiheit und gleichberechtigt über ihre Bürgerrechte verfügen können.
Änderungen wurden bisher nur vereinzelt vorgenommen; sie bedürfen neben der Mehrheit der Mitglieder des Landtages der Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger mit der Mehrheit der Abstimmenden. Nach umfassenden Vorarbeiten und Beratungen u. a. in zwei Enquetekommissionen wurden am 24. Mai 2018 im Landtag 15 Änderungen an der Verfassung beschlossen. Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen wurde verankert, Kinderrechte aufgenommen sowie die noch in der Verfassung verankerte Todesstrafe abgeschafft. Darüber hinaus wurden Bestimmungen zum Datenschutz und ein Bekenntnis zur Europäischen Union eingeführt und das Wählbarkeitsalter auf 18 Jahre (bislang 21 Jahre) abgesenkt. Nach der Verabschiedung der Änderungen im Parlament wurde die Bevölkerung Hessens im Rahmen eines Volksentscheids dazu aufgerufen, zeitgleich mit der hessischen Landtagswahl am 28. Oktober 2018 über die Verfassungsänderungen abzustimmen. Die Verfassung wurde dabei mehrheitlich angenommen; das Beteiligungsquorum von einem Viertel der Stimmberechtigten wurde erreicht.
Bei einer Verhältniswahl erfolgt die Besetzung des zu wählenden Gremiums im Verhältnis der abgegebenen Stimmen.
Erhält also eine Partei 30 % der Stimmen, kann sie 30 % der zu besetzende Sitze beanspruchen.
Hiervon zu unterscheiden ist die Mehrheitswahl, bei der in der Regel ein Vorschlag aus einer Reihe von Vorschlägen ausgewählt wird.
Politische Systeme mit Mehrheitswahlen fühlen oftmals zu Zwei‑Parteien-Systemen, während Verhältniswahlen auch Minderheiten abbilden. Die Wahl zum Hessischen Landtag ist grundsätzlich eine Verhältniswahl, die allerdings mit Elementen der Mehrheitswahl (Erststimme) kombiniert wurde und als weitere Modifikation eine Fünf-Prozent-Klausel enthält.
Bei Verhältniswahlen kommen grundsätzlich drei mathematische Berechnungsverfahren zur Anwendung: das Verfahren nach Hare/Niemeyer, d’Hondt und nach Sainte-Laguë/Schepers. Kennzeichen des Verfahrens nach Hare/Niemeyer ist, dass es sich mit einer einzigen Sollgröße, nämlich der Größe des abzuleitenden Gremiums, befasst.
Es kommt zur Anwendung bei der Berechnung der Sitzverteilung des Landtages: Bei der Sitzverteilung werden nur solche Landeslisten berücksichtigt, die mindestens fünf Prozent der abgegebenen gültigen Landesstimmen erhalten haben. Die Zahl der zu vergebenden Sitze (110) wird dann multipliziert mit der Zahl der Landesstimmen der Partei oder Wählergruppe, dann dividiert durch die Gesamtzahl aller Landesstimmen für die an der Sitzverteilung teilnehmenden Landeslisten. Jede Partei oder Wählergruppe erhält zunächst so viele Sitze wie die Zahl vor dem Komma anzeigt. Sofern die Summe der ganzzahligen Anteile nicht die Gesamtzahl der Sitze ergibt, werden die restlichen Sitze in der Reihenfolge nach der Größe der verbleibenden Bruchteile hinter dem Komma verteilt.
Damit die Wählerinnen und Wähler auch gezielt einzelne Bewerberinnen und Bewerber aussuchen können, wird die Hälfte der Sitze durch relative Mehrheitswahl in den 55 Wahlkreisen vergeben. Gewählt ist, wer die meisten gültigen Wahlkreisstimmen erhalten hat. Mit der Wahlkreisstimme entscheiden die Wählerinnen und Wähler daher darüber, wer den Wahlkreis im Landtag vertreten soll.
Die von einer Partei oder Wählergruppe gewonnenen Direktmandate werden von der Gesamtzahl der Sitze abgezogen, die die Partei auf Grund der Verhältniswahl im Land gewonnen hat. Die verbleibenden Sitze werden nach der Reihenfolge auf der Landesliste vergeben, wobei gewählte Direktbewerberinnen bzw. Direktbewerber nicht erneut berücksichtigt werden.
Sofern innerhalb des Landtages bei der Besetzung von Gremien Verhältniswahlen durchzuführen sind, gilt das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers als Standardverfahren. Diese greift zunächst auf das Grundprinzip des Verfahrens nach d’Hondt zurück: Die Sitzanzahl der Fraktionen wird der Reihe nach durch die natürlichen Zahlen 1, 2, 3 etc. geteilt. Auf diese Weise werden so viele Höchstzahlen ermittelt, wie Sitze zu vergeben sind und anschließend die Sitze verteilt. Fraktionslose bleiben unberücksichtigt. Da kleinere Fraktionen nach dem Berechnungsverfahren nach d’Hondt benachteiligt werden, teilt das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers mit 0,5 / 1,5 / 2,5.
Als Verschlusssache bezeichnet man im Landtag Angelegenheiten, die Unbefugten nicht mitgeteilt werden dürfen und die durch besondere Sicherheitsmaßnahmen gegen die Kenntnis durch Unbefugte geschützt werden müssen. Es handelt sich in erster Linie um Unterlagen und Akten, aber es kann auch zum Beispiel das gesprochene Wort erfasst sein. Diese unterliegen der Geheimhaltung, wobei es verschiedene Grade der Geheimhaltung gibt, von streng geheim bis VS-Nur für den Dienstgebrauch. Wie mit Verschlusssachen umzugehen ist, regelt eine Richtlinie für den Umgang mit Verschlusssachen, die als Anlage 2 der Geschäftsordnung beigefügt ist.
Die aus den Reihen der Abgeordneten gewählten Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten vertreten und unterstützen die Landtagspräsidentin bzw. den Landtagspräsidenten bei der Wahrnehmung der parlamentarischen Geschäfte. Sie übernehmen insbesondere während der Plenarsitzung die Sitzungsleitung und agieren dann als amtierende Präsidentinnen bzw. amtierende Präsident. Sie wirken zudem im Ältestenrat wie auch dem Präsidium mit.
In Hessen kann die Gesetzgebung durch den Landtag, aber auch durch das Volk über den Volksentscheid erfolgen. Das Verfahren des Volksentscheids ist in vier Stufen gegliedert und umfasst nach dem Zulassungsverfahren zunächst das Volksbegehren, das durchlaufen werden muss. Die Regelungen finden sich in Art. 124 der Verfassung des Landes Hessen und im Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid (VoBegG).
In der Zulassungsphase wird der förmliche Antrag, der einen konkreten Gesetzesbeschluss enthält, bei der Landeswahlleiterin bzw. dem Landeswahlleiter gestellt und von drei sogenannten Vertrauenspersonen unterzeichnet. Der Antrag muss von 1 % der Wahlberechtigten der letzten Landtagswahl unterzeichnet sein. Ist diese Hürde erreicht, teilt die Landeswahlleiterin bzw. dem Landeswahlleiter dem Landtag dies mit. Die Landesregierung befasst sich mit dem Vorhaben und entscheidet binnen eines Monats über die Vereinbarkeit des Antrags mit der Verfassung.
Mit dieser Entscheidung wird die zweite Stufe, das eigentliche Volksbegehren, erreicht. In diesem Stadium findet die Veröffentlichung und die Eintragung in Listen in den Gemeinden innerhalb einer Sechs-Monats-Frist statt. Das Quorum sieht nun ein Zwanzigstel der Stimmberechtigten vor. Mit ihrer Stellungnahme muss die Landesregierung den Gesetzentwurf dem Landtag zuleiten.
Der Landtag hat innerhalb eines Monats über den Gesetzentwurf zu beschließen (dritte Stufe). Er kann ihn zum Gesetz erheben oder ablehnen. Lehnt er ihn ab oder beschließt er ihn in geänderter Fassung, findet ein Volksentscheid statt.
Der Volksentscheid ist in Art. 124 der Verfassung des Landes Hessen geregelt. Er stellt die vierte Stufe der Gesetzgebung durch die Bürgerinnen und Bürger dar. Die ersten drei Stufen des Volksbegehrens müssen bereits durchlaufen sein, um das Volksbegehren durchführen zu können. Es findet nur dann statt, wenn der Landtag den dem Volksbegehren zugrundeliegenden Gesetzentwurf nicht unverändert zum Gesetz erhebt.
Der Volksentscheid muss binnen zwei Monaten nach Einbringung des Gesetzentwurfs im Landtag an einem bestimmten Tag durchgeführt werden. Er sieht nur die Annahme oder Ablehnung der Bürgerinnen und Bürger vor, die mit „Ja“ oder „Nein“ abstimmen können. Erforderlich ist die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen, die mindestens einem Viertel der Stimmberechtigten entsprechen muss.
Durch eine Volksklage können Bürgerinnen und Bürger die Überprüfung von Gesetzen auf ihre Verfassungsmäßigkeit beantragen. Dafür muss 1 % der Stimmberechtigten den Antrag unterstützen. Die Möglichkeit der Volksklage ist ein Instrument der direkten Demokratie. Die Regelung des Art. 131 Abs. 2 der Verfassung des Landes Hessen stellt eine Besonderheit in den Landesverfassungen dar.
In Hessen wurde im Juni 2007 die Überprüfung des Gesetzes zur Einführung von Studiengebühren durch eine Volksklage verlangt. Der Staatsgerichtshof entschied daraufhin, dass das Gesetz verfassungsgemäß ist.