Bilddatei
Landtagspräsidentin Astrid Wallmann; Präsident des Bundesverfassungsgericht,Prof. Dr. Stephan Harbath; Ministerpräsident Boris Rhein; Präsident des Staatsgerichtshof des Landes Hessen,Dr. Wilhelm Wolf

75 Jahre Grundgesetz

Am 23. Mai wird das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 75 Jahre alt. Anlässlich dieses Jubiläums fand heute im Hessischen Landtag eine Feierstunde statt, in der der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Stephan Harbarth, die Festrede hielt. Hessens Landtagspräsidentin Astrid Wallmann eröffnete die Veranstaltung und sagte: „Als das Grundgesetz 1949 in Kraft trat, war es ein Versprechen und eine Hoffnung, die sich – als größtes Glück unserer Geschichte – erfüllte. Heute, 75 Jahre später, ist das Grundgesetz für uns alle vor allem eine Verpflichtung, dieses einst gegebene Versprechen auch für die kommenden Generationen zu bewahren.“ 

Die Demokratie in Deutschland hat sich seit der Gründung der Bundesrepublik zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt. „Und diese Erfolgsgeschichte endet nicht in unserer Gegenwart, sondern wartet darauf, von uns fortgeschrieben zu werden“, so Hessens Landtagspräsidentin, die betonte: „Es ist an uns, mit Mut und Zuversicht als Demokratinnen und Demokraten unser Grundgesetz und unsere Demokratie zu leben.“  Astrid Wallmann: „Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben alles darangesetzt, dass sich die Weimarer Erfahrung nicht wiederholt. Sie gaben uns eine Verfassung, die vieles bereithält, um den demokratischen Staat zu schützen. Das Grundgesetz stellt daher bis heute auch ein in Gesetzesform geronnenes ‚Nie wieder!‘ dar, indem in ihm die Lehren aus dem Scheitern von Weimar gezogen wurden.“

Heute, 75 Jahre später, ist das Grundgesetz für uns alle vor allem eine Verpflichtung, dieses einst gegebene Versprechen auch für die kommenden Generationen zu bewahren.
Astrid Wallmann, Präsidentin des Hessischen Landtages

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Prof. Dr. Stephan Harbarth, sagte (nachstehend finden Sie Auszüge aus der Festrede): „Das bevorstehende Verfassungsjubiläum ist Anlass zu Freude und Dankbarkeit. Wir haben allen Grund, die erfolgreichste freiheitliche und demokratische Verfassung in der Geschichte unserer Nation zu würdigen. Das gilt für das politische Berlin ebenso wie für das Land Hessen, dessen Geschichte auf so vielfältige Weise mit derjenigen des Grundgesetzes verwoben ist. 
Man denke nur an die ‚Frankfurter Dokumente‘, mit denen die westlichen Alliierten dem Ergebnis der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz folgend die noch zögerlichen westdeutschen Ministerpräsidenten am 1. Juli 1948 beauftragten, eine verfassungsgebende Versammlung für einen föderalen westdeutschen Staat einzuberufen – der entscheidende Impuls für den Verfassungskonvent von Herrenchiemsee und die Einberufung des Parlamentarischen Rats. Zahlreiche hessische Persönlichkeiten, brachten sich und ihre in Hessen gewonnenen Erfahrungen in die Arbeiten am Text des Grundgesetzes ein. 

Vor allem aber lässt sich der 75. Geburtstag des Grundgesetzes nicht würdigen, ohne ein weiteres in besonderer Weise mit dem Land Hessen verbundenen Verfassungsjubiläum in den Blick zu nehmen, das wir erst vor wenigen Wochen haben feiern dürfen: den 175. Jahrestag der Verkündung der Paulskirchenverfassung am 28. März 1849. Auch wenn die Verfassung der Paulskirche am Ende eine Verfassung ohne Staat blieb, sind damals bereits diejenigen Prinzipien formuliert worden, die heute die Grundlagen unserer Verfassungsordnung bilden.

Der Weg der Deutschen von der Verfassung der Paulskirche zur freiheitlichen Ordnung des Grundgesetzes und schließlich zur deutschen Einheit unter dem Grundgesetz war keine lineare Erfolgsgeschichte einer sich kontinuierlich entfaltenden Idee. Im Gegenteil: Dieser Weg war geprägt von Zweifeln und Hindernissen, von Rückschlägen und Schmerzen. Die Freiheit musste mühsam erkämpft und immer wieder von Neuem errungen werden. Manche Etappe ging dabei auf bittere Weise verloren.

Wer sich dies bewusst macht, der erkennt, dass Freiheit dem Menschen zwar angeboren ist, in der Natur des Menschseins und der hiermit verbundenen Würde selbst begründet liegt, es sich aber um kein unangreifbares naturwissenschaftliches Gesetz handelt. Und wer sich dies bewusst macht, der läuft weniger Gefahr, die Achtung der Freiheit des Menschen als selbstverständlich, als künftig ungefährdet, als im unaufhaltsamen Siegeszug befindlich zu begreifen – selbst dann, wenn er zu einer Generation gehört, der – jedenfalls im Westen unseres Landes – das historische Glück zuteil wurde, niemals in Unfreiheit gelebt zu haben.

Auch die freiheitlich-demokratische Verfassungsordnung unseres Grundgesetzes funktioniert nicht aus sich selbst heraus. Sie bleibt – trotz aller Schutzmechanismen gegen ihre Gegner – darauf angewiesen, dass genügend Menschen bereit sind, sich für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen.“

Zu Ihrer Information: 100 Jahre nach dem Scheitern der Paulskirchenverfassung und 30 Jahre nach der Gründung der ersten Republik wurde im Mai vor 75 Jahren mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes die Bundesrepublik gegründet. Die Verabschiedung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 war das Ergebnis intensiver Beratungen im Parlamentarischen Rat, der 1948 von den Ländern als verfassunggebende Versammlung eingesetzt worden war und den politischen Neuanfang für Deutschland einleiten sollte. Aus Hessen wirkten im Parlamentarischen Rat unter anderem Ludwig Bergsträsser, Heinrich von Brentano, der spätere Ministerpräsident Georg August Zinn sowie eine der vier „Mütter des Grundgesetzes“, Elisabeth Selbert, mit.

Rede von Hessens Landtagspräsidentin anlässlich der Feierstunde zu „75 Jahre Grundgesetz“ am 15. Mai 2024 im Landtag