Gedenkfeier zum 35. Jahrestag des Mauerfalls im Hessischen Landtag
Erinnerungen im Zeitzeugengespräch
„Die Erinnerung an die historischen Ereignisse der Jahre 1989 und 1990 lässt uns den hohen Wert von Einheit, Freiheit und Demokratie ein jedes Mal aufs Neue erkennen und wertschätzen. Auch vergegenwärtigt sie uns den großen Mut der Frauen und Männer, die damals in der DDR auf die Straße gegangen sind, um gegen Unterdrückung und für Freiheitsrechte zu demonstrieren.“ Mit diesen Worten hat Landtagspräsidentin Astrid Wallmann die Gäste zur Gedenkfeier anlässlich 35 Jahre Mauerfall im Landtag begrüßt.
Mit Prof. Dr. Horst Teltschik und Prof. Dr. Richard Schröder kamen auf dem Podium zwei Zeitzeugen über diesen ganz besonderen Moment deutscher Geschichte ins Gespräch, den sie jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven erlebt haben. Moderiert wurde das Gespräch von Dr. Ewald Hetrodt.
Horst Teltschik gehörte 18 Jahre lang zum engsten Mitarbeiterkreis des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl und galt als sein wichtigster Berater in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Seit dem Regierungswechsel 1982 leitete er die Abteilung „Auswärtige und innerdeutsche Beziehungen, Entwicklungspolitik und Äußere Sicherheit“ im Bundeskanzleramt.
Auf die Entwicklungen 1989/90 hatte er als Impulsgeber und Gestalter des Zehn-Punkte-Programms, das als wichtiger Katalysator für den Wiedervereinigungsprozess gilt, maßgeblichen Einfluss. Zudem war er zentral an den deutsch-deutschen Verhandlungen der Wendezeit beteiligt. Gemeinsam mit dem Bundeskanzler besuchte er 1990 den damaligen sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow in Moskau, in Folge dessen der Weg für die Wiedervereinigung frei war.
Richard Schröder war seinerseits Mitglied der Bürgerrechtsbewegung in der DDR und gehört laut einem FAZ-Artikel aus dem Jahr 2023 zu „den Köpfen [unseres] Landes, die große Wirkung entfalteten, ohne je ein hohes politisches Amt“ innegehabt zu haben. Da ihm aufgrund seines kirchlichen Elternhauses der Zugang zur staatlichen höheren Bildung verwehrt wurde, studierte er an kirchlichen Ausbildungsstätten Philosophie und Theologie und war anschließend als Pfarrer und Hochschullehrer tätig.
Im Zuge der friedlichen Revolution 1989 engagierte er sich bei der Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in der DDR und war Mitautor des Grundsatzdokuments „Mehr Gerechtigkeit in der DDR“. Im Dezember 1989 trat er in die Sozialdemokratische Partei in der DDR ein und arbeitete an deren Grundsatzprogramm mit. Er war Abgeordneter und Fraktionsvorsitzender der SPD in der letzten und einzig frei gewählten Volkskammer der DDR sowie Abgeordneter im Deutschen Bundestag zur Zeit der Wiedervereinigung.
Landtagspräsidentin Astrid Wallmann betonte mit Blick auf das Zeitzeugengespräch die große Bedeutung dieses Gedenktages für die Gegenwart und Zukunft des Landes: „35 Jahre nach dem Mauerfall lässt sich festhalten, dass die Deutsche Einheit zwar vollendet, aber nicht vollkommen ist. Die Beschäftigung mit den Dingen, die sich noch nicht so entwickelt haben, wie erhofft, oder damit, was die alten und die neuen Bundesländer auch heute noch unterscheidet und trennt, verstellt jedoch bisweilen den Blick darauf, warum wir damals in Ost und West zur Überwindung der Teilung aufgebrochen waren, und was wir dabei bereits gewonnen haben. Hierin liegt eine große Chance von Gedenktagen: sich zu erinnern, was war, und zugleich auszuloten, welche Bedeutung dies für unsere Gegenwart und Zukunft hat.“