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Blick in den Plenarsaal
05
Mai
2025

27. Wiesbadener Forum Datenschutz

Landtagspräsidentin Wallmann sieht niedrigschwellige Absicherung als zukunftsfähige Lösung im Bürokratieabbau

Überbordende Bürokratie führt zu unnötigen Verzögerungen, vereitelt Planungen und hemmt das Wachstum in vielerlei Bereichen – darüber sind sich Wirtschaft und Verwaltung einig. Über Lösungsansätze und Möglichkeiten, Bürokratie im Datenschutz abzubauen, diskutierten Datenschutzbeauftragte und -experten von Behörden, Kommunen und Unternehmen beim 27. Wiesbadener Forum Datenschutz im Plenarsaal des Hessischen Landtages. 

Nach Einschätzung von Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU) ist es wichtig, sich beim Abbau von Bürokratie in sensiblen Bereichen wie dem Datenschutz an den Grundrechten zu orientieren. Der Abbau von Bürokratie sei eine komplexe Aufgabe, die nicht nur verschiedene Stellen, Ebenen und Aspekte, sondern auch über die Zeit gewachsene Regelungen und Strukturen umfasse, sagte sie. „Eine für die Nutzer möglichst niedrigschwellige bürokratische Absicherung der Grund- und Freiheitsrechte könnte hier eine zukunftsfähige Lösung darstellen.“

Verzichtbare bürokratische Anforderungen abbauen

Der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Prof. Dr. Alexander Roßnagel, der gemeinsam mit dem Hessischen Landtag zur Fachtagung eingeladen hatte, sagte: „Verzichtbare bürokratische Anforderungen im Datenschutz abzubauen, liegt im Interesse aller Beteiligten – der verantwortlichen Unternehmen, Vereine und Behörden ebenso wie der Datenschutzaufsicht. Daher ist danach zu suchen, auf welche Anforderungen verzichtet werden kann, ohne das Ziel des Datenschutzes und Grundrechtsschutzes zu gefährden.“ 

Manfred Pentz (CDU), Hessischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales und Entbürokratisierung, warnte vor einer Übererfüllung von EU-Vorgaben und forderte zugleich einen Kulturwandel in der Verwaltung. „Dort, wo wir es als Hessische Landesregierung selbst in der Hand haben, wollen wir Bürokratie spürbar abbauen“, sagte er. Um aus erster Hand einen genauen Überblick über die praktischen Konsequenzen bürokratischer Regelungen zu gewinnen, habe die Hessische Landesregierung einen Bürokratiemelder geschaffen. „Wir müssen mehr vertrauen und weniger kontrollieren“, sagte Pentz. 

Prof. Dr. Wolfgang Ziebarth, Professor für Öffentliches Recht an der Hochschule der Polizei Baden-Württemberg, hob in seinen Ausführungen hervor, dass eine umfassende Regelung wie die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) trotz aller Komplexität eine deutliche Vereinfachung darstelle im Vergleich zur Berücksichtigung unterschiedlicher nationaler Gesetzgebungen. Künftige Änderungen im Datenschutz müssten mit der Unabhängigkeit von Aufsichtsbehörden vereinbar sein. „Wichtig ist auch die Verteilung der Bürokratie“, sagte Ziebarth. 

Inwieweit Bürokratieabbau durch Risikoorientierung möglich ist, analysierte Dr. Christian Geminn, Wissenschaftler am Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung (ITeG) der Universität Kassel. Danach wäre Datenschutz in risikoreichem Umfeld mit höherem Aufwand verknüpft, während umgekehrt risikoarme Bereiche mit weniger Aufwand belohnt würden. Geminn sieht zwar erhebliches Entlastungspotenzial; Risikoorientierung sei jedoch kein übergreifendes Merkmal, das zur Unterscheidung dienen könne. Der Professor für Öffentliches Recht, Wirtschaftsrecht und Verwaltungswissenschaften forderte ein strukturelles Umdenken. Dies eröffne auch die Möglichkeit zur Überarbeitung veralteter Regelungen. 

Beim Ausschöpfen von Ermessensspielräumen spielt aus Sicht des Landesbeauftragten für Datenschutz in Bayern Prof. Dr. Thomas Petri das Verfassungsrecht eine wichtige Rolle. Neben den Vorgaben auf EU-Ebene setze das Verfassungsrecht den Rahmen für den Datenschutz, sagte er. 

Gegen einen zentralisierenden Ansatz wandte sich Prof. Dr. Tobias Keber, Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg, in seinem Vortrag. „Wie bürgernah kann eine zentralisierte Struktur sein?“, sagte er. Bürokratie sei besser als ihr Ruf, gewachsene Expertise dürfe allerdings nicht ausgeblendet werden, mahnte er. Mit der neu geschaffenen KI-Verordnung sei zwar ein weiterer Aufbau von Bürokratie verbunden. Sie beinhalte jedoch nicht nur Produktregulierung, sondern auch Grundrechtsschutz und biete damit Chancen. 

In seinem Schlusswort forderte der Hessische Datenschutzbeauftragte, Änderungen im Datenschutz praxisorientiert und systemgerecht anzugehen. Aufsichtsbehörden übernähmen viele Aufgaben. Es gelte, sie dabei zu unterstützen. 

Historische Vorreiterrolle Hessens im Datenschutz

Hessen war 1970 das einzige Land weltweit mit einem Datenschutzgesetz. Darin formulierte der Hessische Landtag die ersten gesetzlichen Anforderungen an die Verarbeitung personenbezogener Daten überhaupt. Im Zuge dessen wurde auch die Institution des Hessischen Datenschutzbeauftragten geschaffen. Willi Birkelbach wurde am 8. Juni 1971 in diese Position gewählt und war damit der erste Datenschutzbeauftragte der Welt.

Hintergrund

Das Wiesbadener Forum Datenschutz findet seit 1992 im Hessischen Landtag statt. Dabei soll einer breiten Öffentlichkeit an aktuellen Fragestellungen vermittelt werden, welche besonderen Facetten und Konsequenzen das Recht auf Schutz der persönlichen Daten heute haben kann.