„Eine jüdische Gemeinschaft in Deutschland ist ein Geschenk“
Auftakt zur Bildungsreihe Antisemitismus im Hessischen Landtag
Welche Schlüsse können wir im Kampf gegen Antisemitismus aus der Vergangenheit ziehen? Darüber haben bei einer Podiumsveranstaltung im Hessischen Landtag der Historiker Prof. Dr. Eckart Conze von der Philipps-Universität Marburg und Dr. Christoph Thonfeld, stellvertretender Leiter der KZ-Gedenkstätte Dachau, mit dem Vorsitzenden des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen, Daniel Neumann, diskutiert. Moderiert wurde die Diskussionsrunde, die den Auftakt einer neuen Bildungsreihe bildet, von TV-Moderator Markus Appelmann.
"Gedenkstätten-Arbeit nur ein Baustein"
Neumann beklagte, dass nach dem Terrorangriff der Hamas der öffentliche Aufschrei ausgeblieben sei. Stattdessen habe er eine „Entsolidarisierung von großen Teilen der Gesellschaft“ erlebt. Conze hob hervor, dass sich das Phänomen der „Andersartigkeit von Juden“ immer wieder neu auflade und verschiedene Formen annehme. Aus Sicht von Thonfeld kann die Arbeit in Gedenkstätte nur ein Baustein sein in dem Bestreben, gegen Antisemitismus vorzugehen. „Wir müssen uns fragen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen“, sagte der Historiker. Solidarität zu artikulieren und zugleich die Israel-Kompetenz in der Wissenschaft zu stärken, ist für Conze, der als Professor für Neueste Geschichte auch in Jerusalem geforscht hat, eine Möglichkeit, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen.
Wallmann: „Eine besondere Verantwortung“
„Dass wir nach dem Menschheitsverbrechen der Shoah heute wieder so eine lebendige jüdische Gemeinschaft in Deutschland haben, ist ein großes Geschenk. Als Deutsche tragen wir eine besondere Verantwortung für den Schutz jüdischen Lebens“, sagte Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU). An der Welle des Antisemitismus seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 werde deutlich, dass Judenfeindlichkeit nie verschwunden war.
„In aller Heftigkeit treten alte wie neue Formen des Judenhasses auf den Straßen, auf den Schulhöfen und im Netz zutage. Angesichts dieser Entwicklung müssen wir unserer Verantwortung gerecht werden, damit jüdisches Leben nicht noch weiter gefährdet wird“, sagte sie weiter. „Die neue Bildungsreihe des Hessischen Landtages soll dazu einen Beitrag leisten.“ Die Beschäftigung mit der historischen Dimension ermögliche es, Hintergründe und Zusammenhänge besser zu verstehen, um auf dieser Basis Erkenntnisse für unsere Zeit abzuleiten. „Die Geschichte hat gezeigt, dass der Antisemitismus wandelbar und anschlussfähig für verschiedene Gruppierungen und politische Lager ist – von der extremen Linken bis zur extremen Rechten.“
Antisemitismus aus verschiedenen Perspektiven
In der neuen Bildungsreihe des Hessischen Landtages wird das Thema Antisemitismus aus unterschiedlichen Perspektiven und in verschiedenen Formaten beleuchtet. Im Rahmen eines Workshops mit Oberstufenschülerinnen und -schülern wird am 11. Februar 2026 der Film „Jud Süß“ gezeigt und diskutiert. Am 9. März folgt der Aktionstag „Jüdisches Leben heute“, der sich – wie der gemeinsame Aktionstag mit der Bildungsstätte Anne Frank am 4. Mai 2026 – an Schülerinnen und Schüler richtet. Den Abschluss bildet eine Veranstaltung mit dem Antisemitismusbeauftragten des Landes Hessen Uwe Becker im Herbst 2026.
Hintergrund: Historische Kommission
Die Kommission des Hessischen Landtages für die Erforschung der politischen und parlamentarischen Geschichte in Hessen wurde 1979 vom Hessischen Landtag ins Leben gerufen. Sie setzt sich aus aktuell 14 wissenschaftlichen Mitgliedern zusammen; den Vorsitz führt die Präsidentin des Hessischen Landtages. Die Kommission empfiehlt und unterstützt Forschungsprojekte zur parlamentarischen Geschichte Hessens, vergibt Promotionsstipendien und berät den Landtag bei Veranstaltungen zu historischen Themen.