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Blick in den Plenarsaal

Wie kann es gelingen, die Bedürfnisse und Meinungen von Kindern und Jugendlichen in politischen Prozessen stärker zu berücksichtigen?

Erkenntnisse aus der Forschung haben dazu Expertinnen und Experten bei einer Anhörung der Enquetekommission Jugendbeteiligung geteilt. 

Die Möglichkeit, überhaupt eine Wahl zu haben, ist dabei aus Sicht der Erziehungswissenschaftlerin Sabine Andresen ein wesentliches Element. In der „Children’s Worlds“-Studie hat sich die Professorin an der Goethe-Universität ausführlich mit den Bedarfen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland auseinandergesetzt und kommt zu dem Ergebnis, dass das Vorhandensein von echten Optionen zu den Bedingungen von Partizipation und Teilhabe gehört — neben der Aussicht, Gehör zu finden, und der Erfahrung der Selbstwirksamkeit. 

„Nur gehört zu werden, reicht nicht aus, ist aber ebenfalls eine zentrale Voraussetzung“, sagte die Kinder- und Jugendforscherin bei der Anhörung am 4. November im Hessischen Landtag. Eine entscheidende Rolle spielen dabei auch die Erfahrungen, die Kinder in Familie und Schule machen. Bildung sei ein wichtiger Indikator von Teilhabe, so Andresen. Gremien sollten unbedingt den Dialog mit Jugendlichen führen. Dies sei schwierig, doch es lohne sich. „Der Dialog kann die Gesellschaft voranbringen“, sagte die Wissenschaftlerin.

Die Rolle digitaler Medien berücksichtigen

Wie sich Partizipation von den klassischen zu den digitalen Medien verlagert hat, erläuterte Prof. Yannis Theocharis von der Technischen Universität München (TUM). Dabei attestierte er eine rückläufige Wahlbeteiligung bei gleichzeitig steigender Unzufriedenheit mit der Demokratie. Dies sei jedoch ein länderübergreifendes Phänomen. Klassische Beteiligungsformen wie Parteimitgliedschaften spielten bei jungen Menschen meist keine Rolle mehr. Ihr Engagement sei eher themenbezogen, so der Politikwissenschaftler. Theocharis plädierte dafür, digitale Medien als Chance zu begreifen, um junge Menschen zu erreichen. „Offline- und Online-Beteiligung ergänzt sich“, doch der Ausgangspunkt sei oft online. „Wer sich online engagiert, beteiligt sich höchstwahrscheinlich auch eher offline“, lautete sein Fazit.

Für Professor Benno Hafeneger von der Universität Marburg steht politische Teilhabe im Zusammenhang mit einem Generationenvertrag. So sei ein „neues Format von Generationendialog notwendig, um die Spaltung zwischen den Generationen zu verhindern“. Die Grundlagen werden Hafeneger zufolge in Familie und Schule gelegt. „Wenn Kinder und Jugendliche in der Schule positive Erfahrungen machen, dann sind die Voraussetzungen für eine Bindung an die Gesellschaft und die Demokratie insgesamt gegeben“, sagte Hafeneger. Der Erziehungswissenschaftler sieht Erwachsene in der Pflicht, Kindern und Jugendlichen diese Erfahrungen zu vermitteln.

Ein besonderes Augenmerk auf die Frage der sozialen Ungleichheit legte Prof. Tanja Grendel von der Hochschule RheinMain. Laut Grendel stehen soziale Ungleichheit und das Erleben von Teilhabe in einem engen Zusammenhang. „Jugendliche aus bildungsfernen Schichten haben eher eine kurzfristige Perspektive“, so Grendel. Für sie stünden andere Themen im Vordergrund. Partizipationsbestrebungen könnten daher auch nicht alle Jugendlichen erreichen. „Man muss dort hingehen, wo die Jugendlichen sind“, sagte die Soziologin. Die Erfahrung einer demokratischen Selbstwirksamkeit sei Voraussetzung einer gelungenen Teilhabe. 

Hintergrund

Seit Oktober 2024 beschäftigt sich die Enquetekommission „Demokratie und Teilhabe leben – Beteiligung junger Menschen stärken“ unter dem Vorsitz von Cirsten Kunz-Strueder (SPD) mit der Frage, welche Möglichkeiten der Mitsprache Kinder und Jugendliche in Hessen gegenwärtig haben und wie diese in Zukunft besser ausgestaltet werden können. In vorangegangen Sitzungen beschäftigten sich die Mitglieder der Kommission mit den rechtlichen Grundlagen und psychologischen Gegebenheiten von Jugendbeteiligung.